Schauff, Johannes
Biographical History
Johannes Schauff wurde am 19. Dezember 1902 in Stommeln im Rheinland geboren. Die Eltern waren Bauern und Geschäftsleute, der Vater politisch - linksrheinisch katholisch und antipreußisch - engagiert. Schauff besuchte das Gymnasium in Bad Münstereifel, wo er 1922 das Abitur bestand. Darauf folgte das Studium der Staatswissenschaften und Geschichte an den Universitäten Berlin und Leipzig, wo er 1925 zum Dr.phil, promoviert wurde.Während des Studiums in Berlin gehörten er wie auch seine spätere Frau, Karin Mager, zum Kreis um Carl Sonnenschein. Politisch engagierte sich Schauff in der studentischen Zentrums-Jugend, dem Windthorstbund, schließlich im Bund republikanischer Studenten. In Leipzig fand er Zugang zu Vertretern der religiössozialistischen Bewegung wie Hermann Heller, Hans Simons, Paul Tillich, Reinhold Niebuhr, Karl Thieme und Maria Grollmus. Beruflich engagierte sich Schauff auf Anraten von Heinrich Brüning beim Aufbau des landwirtschaftlichen Siedlungswesens im deutschen Osten und wurde schließlich Geschäftsführer der Reichsstelle für Siedlerberatung. Als Agrarfachmann mit ausgesprochen politischem und wirtschaftlichem Engagement fand Schauff seine Berufung. Sein Erfolg bei der Organisation neuer landwirtschaftlicher Siedlungsstellen im Osten Deutschlands wie auch in Mecklenburg geriet allerdings in Gegensatz zur Agrarpolitik der Papen-Regierung mit ihrer einseitigen Förderung des Großgrundbesitzes; Joseph Goebbels beschimpfte Schauff in diesem Zusammenhang als "Siedlungs-Bolschewisten".Seine eigentliche politische Karriere in der Zentrums-Partei wurde durch wissenschaftliche Untersuchungen zum Wahlverhalten der deutschen Katholiken seit 1871 sowie zur Wahlrechtsfrage befördert. Mentoren auf diesem Weg waren u.a. Heinrich Krone und Heinrich Vockel. 1932 wurde Schauff im Wahlkreis Liegnitz/Schlesien für das Zentrum als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt. Schauff, der sich dem linken Parteiflügel zurechnete, stand kompromisslos gegen die aufstrebende NSDAP und wurde, vor allem wegen seines Ost-Engagements, seinerseits bald zur Zielscheibe verstärkter politischer Angriffe auch aus dem deutschnationalen Lager. Seine Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter endete mit der Annahme des sog. Ermächtigungsgesetzes im März 1933. Innerhalb der Zentrums-Fraktion gehörte er zur Minderheit um Heinrich Brüning und Joseph Wirth, die in einer vorangegangenen Probeabstimmung gegen dieses Gesetz votiert hatten.Nach Gleichschaltung der Siedlungsbewegung und dem darauffolgenden Berufsverbot entschloß sich Schauff zur Emigration, nachdem auch seine Hoffnung auf einen Widerstand der Reichswehr getrogen hatte. Bereits 1933 fuhr er zusammen mit Friedrich Wilhelm Lübke (dem späteren Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Bruder Heinrich Lübkes) nach Brasilien, um Siedlungsmöglichkeiten zu erkunden, die er dann mit der weiteren Unterstützung des ehemaligen Reichsministers für Osthilfe, Hans Schlange-Schöningen, konkretisieren konnte. Das Ergebnis war ein Abkommen zwischen der in Brasilien tätigen englischen Siedlungsgesellschaft "Panama Plantations" und deutschen Stahlfirmen (Ferrostaal), nach dem im Tauschgeschäft Landtitel gegen deutsches Eisenbahnmaterial verrechnet werden konnten - ein Vorgang, der vielen politisch und rassisch Verfolgten, eingeschlossen auch die Familie Schauff, ermöglichte, Deutschland zu verlassen. Siedlungsgebiet war der Norden des brasilianischen Staates Paranà mit dem Ort Rolandia als Zentrum, wo Schauff auch selbst Landtitel erwarb. Nach Januar 1933 hatte er seine Familie von Berlin zuerst auf ein Bauernhaus in der Eifel in Sicherheit gebracht. Von dort floh Karin Schauff zunächst nach Rom und von dort 1939 mit der Familie nach Brasilien. Es folgte das schwierige, letztlich jedoch erfolgreiche Unternehmen, im Urwald eine Farm zu gründen und wirtschaftlich voranzubringen. Auch im Exil bewahrte Schauff sein agrar- und siedlungspolitisches Engagement, jetzt vor dem Hintergrund von durch den Krieg noch verschärften Emigrations- und Migrationsproblemen. Diese Aktivitäten reichten schon bald über Brasilien hinaus, wobei Schauff von einer Reihe ehemaliger Weggefährten aus der "inneren" Kolonisation unterstützt wurde, die ebenfalls emigriert waren.Ab 1947/48 war Johannes Schauff - zunächst nur besuchsweise - wieder in Europa und auch im inzwischen geteilten Deutschland präsent. Seine Interessen lagen unterdessen eher bei internationalen und kirchlichen Angelegenheiten. So gehörte er 1951 zu den Mitbegründern einer "Internationalen Katholischen Auswanderungskommission" (International Catholic Migration Commission/ICMC), die er selbst fünf Jahre leitete und die in enger Verbindung mit dem Vatikan agierte. Nachdem er dies zunächst nach Kriegsende à titre individuel getan hatte, konnte Schauff nun Flüchtlingshilfe und Caritas im großen Stil praktizieren. Dabei kamen ihm Erfahrungen als Emigrant und Siedlungsexperte ebenso zugute wie seine inzwischen geschaffenen internationalen Verbindungen.In den sechziger Jahren erhielt Schauffs Tätigkeit dann zeitweise wiederum einen stärker politischen Akzent. Dazu gehörte 1963-1971 die Aufgabe, christdemokratische Politiker aus westeuropäischen Ländern im Rahmen der von Schauff mitinitiierten "Fondation Internationale de Solidarité" (FIS) mit Christdemokraten aus Lateinamerika zusammenzubringen mit dem Ziel, dort christlichdemokratische politische Entwicklungen auf den Weg zu bringen.In zeitlichem Zusammenhang mit seinen internationalen politischen Aktivitäten steht auch Schauffs Mittlerrolle beim Zustandekommen der Großen Koalition in Bonn im Jahre 1966. Dahinter stand das -schließlich nicht erreichte- Ziel, ein mehrheitsbildendes und persönlichkeitsbestimmtes Wahlrecht einzuführen - ein Anliegen, das Schauff seit den zwanziger Jahren bewegte und in dessen Nicht-Realisierung er einen Hauptgrund für den Untergang der Weimarer Republik sah.Unter Nutzung seiner einflussreichen Position in der ICMC wie auch der ausgezeichneten Verbindungen zu deutschen und italienischen christdemokratischen Politikern war Schauff auch derjenige, der entscheidend dazu beitrug, das Südtirol-Problem zu bereinigen. Als Vorsitzender des "Beratungsausschusses für Umsiedlungsgeschädigte" in Bozen erreichte er die Einbindung ehemals dienstverpflichteter südtiroler Optanten (für das Deutsche Reich) in die deutsche Lastenausgleichsgesetzgebung sowie die partielle Rückgabe ehemaligen Optantenbesitzes durch Italien.Das Bestreben des engagierten Katholiken Schauff war es, neben der weltlichen Politik gleichzeitig auch in die Kirche hineinzuwirken, ein Bedürfnis, das mit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) ein einzigartiges Forum erhielt. Nunmehr in Rom residierend nutzte er die idealen Kommunikationsbedingungen, um v.a. zwei Begegnungen zu vermitteln, die historische Entwicklungen nach sich zogen. Zum einen stellte er Kontakte her zwischen Vertretern der deutschen und der polnischen Bischofskonferenzen, die 1969 zu einer Aussöhnung der beiden Völker beitrugen. Bereits vorher hatte er daran mitgewirkt, das Verhältnis des Vatikans zur deutschen Sozialdemokratie zu normalisieren. Schauffs Wertschätzung von vatikanischer Seite wird dokumentiert durch seine Berufung in das 1966 begründete Laienapostolat durch Papst Paul VI. Dabei handelte es sich um die Vorläuferorganisation der späteren Kurienkomission "Justitia et Pax", der Schauff bis 1972 angehörte.Eine anders geartete, "quasi geistige Entwicklungshilfe" (R.Morsey) hat Johannes Schauff in der Bundesrepublik selbst geleistet, indem er zu den Initiatoren einer wissenschaftlich-historischen Erforschung der jüngsten deutschen Vergangenheit, insbesondere des politischen Katholizismus sowie des Widerstandes und der Emigration unter dem Nationalsozialismus, gehörte. Dazu brachte er Akteure der Weimarer Zeit mit Historikern zusammen, am Ende entstand daraus 1962 die "Kommission für Zeitgeschichte". In diesem Zusammenhang trat Schauff auch sehr früh mit dem Institut für Zeitgeschichte in Verbindung.
Scope and Content
Wenn man von Schauffs Tätigkeit für die Gesellschaft für innere Kolonisation absieht, hatte er kein Staatsamt im engeren Sinne inne. Seine Tätigkeit an der Spitze der ICMC war vergleichbar dem Management einer großen internationalen Organisation. Hier gibt es eine ausführlichere Aktenüberlieferung, während die Papiere, die seine Tätigkeit für die GFK in der Weimarer Republik dokumentieren, bis auf wenige Ausnahmen verlorengegangen sind bzw. während der NS-Zeit vernichtet wurden. Auch von Schauff gesammelte Dokumente über seine Zeit als Zentrumspolitiker, die vor seiner Emigration in dem der Familie gehörenden Bauernhaus in der Eifel deponiert wurden, gingen beim Einmarsch der Amerikaner verloren. Neben dem ICMC war es eine weitere Organisation des Vatikans, die während des II. Konzils begründete Kurienkommission "Justitia et Pax", deren Tätigkeit ausführlich dokumentiert ist. Aktenüberlieferungen finden sich schließlich noch für Schauffs Tätigkeit für die FIS vor allem in der Phase ihrer Gründungsgeschichte.Schauffs politische Betätigung - dies gilt vor allem für die Zeit nach 1945 - war in erster Linie informeller Natur. Aus persönlichen Gründen drängte es ihn nicht in staatliche Ämter, obwohl sie ihm angetragen wurden. Gleichwohl war er mit seinen mannigfaltigen Kontakten und persönlichen Verbindungen, die zum Teil noch aus der Weimarer Republik herrührten, bei zahlreichen Entscheidungen präsent und einflussreich. Diese Phase seines Lebens ist vor allem durch eine breite Korrespondenz dokumentiert, die nahezu zwei Drittel des Bestandes ausmacht. Sie ist gegliedert in einen ersten, gesonderten Teil "Allgemeine Korrespondenz" (alphabetisch), zum andern sind entsprechende Korrespondenzteile den einzelnen Tätigkeitsfeldern zugeordnet (dort zum Teil chronologisch).Die Ehefrau Karin Schauff hatte nicht nur ein schwieriges und wechselvolles Familienschicksal mit neun Kindern zu meistern, sie war seit der Weimarer Republik auch eine enge politische Weggefährtin ihres Mannes. Nach 1945 trat sie als Schriftstellerin und Publizistin hervor. Ihre Materialien und Korrespondenzen, die häufig auch im Namen ihres Mannes geführt wurden, sind nicht gesondert gegliedert, sondern wurden in den Bestand integriert. Herbst 1995, Dieter Marc Schneider.
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