Nachlass Anna von Gierke
Scope and Content
Vorwort
B Rep. 235-09 Nachlass Anna von Gierke
1. Biographie
Anna von Gierke wurde am 14. März 1874 in Breslau als ältestes von sechs Kindern des bekannten Juristen und Universitätsprofessors Otto von Gierke und seiner Frau Lilli von Gierke geb. Löning geboren. Früh engagierte sie sich ehrenamtlich in der Wohlfahrtspflege, dabei prägten sie Henriette Schrader-Breymann, die Gründerin des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, und vor allem Hedwig Heyl, die Gründerin des Jugendheims in Charlottenburg entscheidend mit. Im Jugendheim von Hedwig Heyl hatte die junge Anna erst als Helferin mitgearbeitet, bevor sie 1892 die Leitung des Mädchenhortes übernahm. 1898 berief Hedwig Heyl sie zur Leiterin des 1894 gegründeten Vereins "Jugendheim".
Ihre Arbeitsschwerpunkte lagen im Bereich der Jugendfürsorge, der sozialpädagogischen Frauenarbeit und hauswirtschaftlichen Berufsausbildung: Neben der Arbeit für den Verein Jugendheim e.V. begründete sie 1921 mit Martha Abicht Landjugendheim Finkenkrug in Falkensee, in dem Schülerinnen, Angestellte und Kinder Erholung fanden sowie im gärtnerischen und landwirtschaftlichen Bereich ausgebildet wurden, arbeitete in diversen Wohlfahrtsorganisationen (u.a. Deutsche Zentrale für freie Jugendwohlfahrt, Deutscher Verband für Schulkinderpflege), sozialpädagogischen Lehranstalten und Behörden mit und war Herausgeberin der Zeitschrift "Soziale Arbeit".
Sie war Mitglied des Gesamtvorstandes des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF), Vorstandsmitglied des Vaterländischen Frauenvereins, Mitglied der Zentrale der
Hausfrauenvereine (Berlin), Vorsitzende des Charlottenburger Hausfrauenvereins und Vorstandsmitglied im Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine (RDH).
Anna von Gierke, die wegen ihrer jüdischen Mutter 1933 aller Ämter enthoben worden war und alle Rechte, so auch eine zugesagte Pension, verlor, engagierte sich in der Bekennenden Kirche und bot u.a. illegal lebenden Juden Zuflucht im Landjugendheim Finkenkrug, in dem sie mit ihrer Lebensgefährtin Isa Gruner lebte und arbeitete.
Sie starb am 3. April 1943 in ihrer Wohnung in der Carmerstr. 12 in Berlin-Charlottenburg.
Auch ihre jüngste Schwester Hildegard von Gierke war in der sozialpädagogischen Arbeit aktiv, s. https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/hildegard-von-gierke.
2. Bestandsgeschichte
Die Archivalien wurden dem Landesarchiv Berlin (LAB) 1988 vom Berliner Frauenbund 1945 e.V. als Depositum übergeben.
Der Bestand umfasst fünf Archivalieneinheiten mit einer Laufzeit von 1910 bis 1931 und umfasst Vorträge und Berichte über Frauenfragen, Berufe, Wohlfahrtspflege, Jugendpflege und Kinderfürsorge, Unterlagen über die Tätigkeit als Vorsitzende der Vereins Jugendheim in Charlottenburg und einen Lebenslauf.
Er ist vollständig erschlossen, verfilmt und digitalisiert und kann über den META-Katalog des Digitalen Deutschen Frauenarchivs (DDF) unter https://www.meta-katalog.eu/Record/BRep23509hla gelesen werden (oder vor Ort im Landesarchiv Berlin in der AUGIAS-Datenbank, da jede Verzeichnungseinheit mit dem Digitalisat verlinkt ist).
Bitte zitieren Sie wie folgt: Landesarchiv Berlin, B Rep. 235-09 Nachlass Anna von Gierke Nr. x / MF-Nr. xxxx.
3. Verweise
Ein Essay zu Anna von Gierke im DDF unter https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/anna-von-gierke
B Rep. 236-10 Nachlass Isa Gruner
4. Literatur (Auswahl)
Marie Baum, Anna von Gierke. Ein Lebensbild, Weinheim/Berlin 1954
Heidi Koschwitz, Das Jugendheim Charlottenburg (1873-1934) - Ein Beitrag zur Geschichte der sozialen Frauenberufe in Deutschland. Berlin 1984
Gabriele Hohenbild, Anna von Gierke: Die Wegbereiterin der sozialpädagogischen Arbeit, in: Ilse Brehmer (Hrsg.), Mütterlichkeit als Profession?, Bd. 1, Pfaffenweiler 1990, S. 228-235.
Hildburg Wegener, Anna von Gierke: Sozialpädagogin zwischen konservativer Politik und freier Wohlfahrtspflege, Sulzbach/Taunus 2009
Erika Paul, Zwischen Sozialgeschichte und Fluchtort. Das Landjugendheim Finkenkrug und seine mutigen Frauen, Berlin 2013
Berlin, September 2021 Dr. Susanne Knoblich