Rheinische Volkspflege
Extent and Medium
Schriftgut
874 Aufbewahrungseinheiten
Creator(s)
- Rheinische Volkspflege, 1919-1930
Biographical History
Geschichte des Bestandsbildners
Seit Mai 1919 war die Reichszentrale für Heimatdienst (RfH), am 10. März 1918 gegründet als Zentrale für Heimataufklärung, als amtliche Stelle der Reichsregierung für alle Fragen der Aufklärung "des mit staatsbürgerlichen Rechten ausgestatteten Volkes [...] über die wichtigsten Fragen des öffentlichen Lebens in einer objektiven und sachlichen über allen Parteien stehenden, keiner Partei oder Interessengruppe dienstbaren Art" zuständig. Sie war zunächst der Presseabteilung der Reichsregierung angegliedert und unterstand damit dem Auswärtigen Amt.
Die RfH unterhielt bis August 1919 nur vier Agenten, die der zunehmenden Arbeitsbelastung durch die zahlreichen Separatismusbestrebungen nicht gewachsen waren, sodass ab dem 1. August 1919 zur Zusammenfassung der Aufklärung und aller pro-deutschen Kräfte in den von den Franzosen besetzten Rhein- und Ruhrgebieten ein neues Referat, die sogenannte Besetzte-Gebiete-Stelle ("Begestelle" [-Referat] der RfH), unter der Leitung von Alfred von Wrochem geschaffen wurde.
Als Kopf- und Umschlagstellen wurden zusätzlich eingerichtet:
1)eine Hauptstelle in Frankfurt am Main unter dem sozialistischen Gewerkschaftssekretär Max Groger (vgl. BArch, R 1603/2288);
2)eine Stelle in Heidelberg, zuständig für Baden und das Saargebiet, unter dem Sozialdemokraten Arthur Wohlgemuth;
3)eine Stelle in Darmstadt, zuständig für Rheinhessen, unter dem Landtagsabgeordneten Loos;
4)weitere Stellen ab September/Oktober 1919 in Gummersbach (vgl. BArch, R 1603/2284), Koblenz, Limburg und Trier.
Abhängig von diesen Stellen waren in den Hauptorten der linksrheinischen Gebiete zusammengesetzte Aktionsausschüsse mit Beiräten aus allen Parteien vorhanden, die jeweils ein Mitglied zum Hauptbeirat in der Frankfurter Stelle entsandten. Die Frankfurter Stelle wurde jedoch am 12. März 1920 wegen politischer Schwierigkeiten Grogers aufgelöst.
1920 wurde die Berliner Leitung der Begestelle aus Geheimhaltungsgründen örtlich von der RfH getrennt, da infolge des Versailler Vertrages jede antifranzösische Beeinflussung der Bevölkerung durch das Reich aufhören sollte. Die Begestelle wurde dem Reichsministerium des Innern als Geheimstelle angegliedert. Ein Versuch seitens des Reichsfinanzministers im Mai 1920, die Arbeit der Begestelle in die RfH einzugliedern, scheiterte. Mittel für praktische Kulturarbeit und Unterstützung der Presse wurden gestrichen.
Im Juni 1920 wurde schließlich die Begestelle in Rheinische Volkspflege (RVP) umbenannt (vgl. BArch, R 1603/2153). In einer Sitzung im Reichsministerium des Innern am 15. Juni 1920 erklärte der Leiter der RfH, Dr. Strahl, dass die RVP selbständig unter der Pressestelle der Reichsregierung, aber nicht mit der RfH in Verbindung stünde. Die RVP war also die unter der Pressestelle der Reichsregierung stehende Nachfolgerin der RfH hinsichtlich der Arbeit im besetzten Gebiet (vgl. BArch, R1603/2171).
Die Rechnungsführung und die Leistung von Zahlungen für die RVP erfolgten nach wie vor durch die RfH; die ab Juli 1920 bei der RVP eingerichtete besondere Buchführung war nur eine Nebenbuchführung der RfH. Durch diese nicht ganz eindeutige Stellung kam es zwischen der RfH und der RVP immer wieder zu Streitigkeiten. So teilte der Leiter der RfH am 20. August 1920 der RVP mit, er sei im Einverständnis mit dem Staatssekretär der Reichskanzlei vom Pressechef zum verantwortlichen Kommissar der RVP bestellt; alle Berichte und Denkschriften an vorgesetzte Stellen hätten über ihn zu gehen. Der Leiter der RVP, von Wrochem, stellte demgegenüber unter Bezugnahme auf die erwähnte Sitzung vom 15. Juni 1920 ausdrücklich fest, es sei "seiner Zeit die Vereinbarung getroffen worden, dass die RVP unmittelbar der Reichskanzlei - jetzt Pressestelle der Reichsregierung - unterstellt sein solle"; Dr. Strahl und von Loebell seien nur Kommissare für die richtige Verwendung der Gelder (vgl. BArch, R 1603/2677).
Nach der Errichtung des Staatssekretariats für die besetzten Gebiete im Reichsministerium des Innern im Mai 1921 und der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Reich und Ländern wurde die RVP diesem Staatssekretariat unterstellt. Vorbehalten waren ihr die zentralisierte Beobachtung der französisch-belgischen Propaganda, des Separatismus sowie diesbezügliche Abwehrmaßnahmen (vgl. BArch, R 1603/2155, 2365). Die RVP wurde 1922 als "nachgeordnete Stelle nichtamtlichen Charakters, deren Tätigkeitsgebiet sich nach den vom Staatssekretär erteilten Anweisungen richtet", bezeichnet (vgl. BArch, R 1603/2153).
Die Veränderungen im Aufbau sahen so aus, dass als Ersatz für die aufgelöste Stelle in Frankfurt am Main im April/Mai 1920 eine neue Stelle für die oberrheinischen Gebiete in Mannheim unter Josef Seufert gebildet wurde (vgl. BArch, R 1603/2155, 2223). Diese kooperierte eng mit dem Saarausschuss und arbeitete auch von Mainz aus. Seit Mai 1920 ersetzte Mannheim auch die Umschlagstelle Darmstadt, denn dort liefen die Fäden der Propagandastellen des besetzten Gebietes zusammen; Wünsche und Anträge wurden gesammelt und von dort nach Berlin weitergegeben.
Die Kölner Außenstelle wurde ab dem 1. Juli 1920 wegen Störung und Gefährdung durch die Besatzung nach Düsseldorf verlegt.
Bereits im Juli/August 1920 kam es zur Auflösung sämtlicher Zweigstellen (vgl. BArch, R 1603/2155), sodass die Arbeit zunehmend durch die großen Parteien, besonders die SPD, und die Verbände erledigt wurde. Über die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Verbänden, insbesondere den Gewerkschaften, gibt eine Denkschrift vom Juli 1920 näheren Aufschluss (vgl. BArch, R 1603/2717).
1922 erfolgte eine Reorganisation der RVP, und es fand ein Abbau der überflüssig gewordenen Stellen statt. Bei ihrer Unterstellung unter das Reichsministerium für die besetzten Gebiete 1923 änderte sich erneut die Struktur. Die RVP trat als private Organisation auf, und ihr Leiter war Treuhänder gegenüber der Reichsregierung (vgl. BArch, R 1603/2158, 2157). Das Ministerium übte eine immer strengere Aufsicht über die Geschäftsführung der RVP aus. Zu diesem Zwecke wurden Leitern und Referenten der RVP ab April 1927 Rechte und Pflichten von Beamten des Reichsministeriums übertragen (vgl. BArch, R 1603/2159).
Aufgelöst wurde die RVP schließlich am 30. September 1930, wobei die Abwicklung sich bis zum 15. Oktober 1930 verzögerte (vgl. BArch, R 1603/2169, 2578).
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Bestandsgeschichte
Die Akten der Rheinischen Volkspflege gelangten nach ihrer Auflösung 1931 ins Reichsarchiv, wo zunächst eine Erfassung der Akten auf Karten stattfand. Ab Sommer 1936 wurden die Karten unter nochmaliger Prüfung der gesamten Akten durch ein Band-Verzeichnis ersetzt. Bei dieser Arbeit wurde eine nachträgliche Kassation durchgeführt.
Die Vorakten der Reichszentrale für Heimatdienst, die die besetzten Gebiete betreffen, übernahm man zum Teil mit in den Bestand. Die Klassifikation der Akten orientiert sich am Geschäftsverteilungsplan von 1923 (vgl. BArch, R1603/2153).
Im Deutschen Zentralarchiv, später Zentrales Staatsarchiv der DDR, wurde der Bestand unter der Signatur 16.03 verwahrt.
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde der Bestand Teil des Bundesarchivs, wo er die Bestandssignatur R 1603 erhielt.
Archivische Bewertung und Bearbeitung
Das vorliegende Findbuch stellt eine überarbeitete Fassung der offenbar ersten, durch Dr. Keinau im Reichsarchiv geleisteten, Verzeichnung von 1937 dar, die 1951 durch J. Brumme im Deutschen Zentralarchiv durch neue Aktensignaturen und nachträgliche Bemerkungen ergänzt worden war. Die Archivsignaturen beginnen nun mit R 1603/2153. Auf eine erneute Umsignierung wurde verzichtet. Im Sommer 2008 erfolgte die Zuordnung fehlender Aktenfragmente, um den ursprünglichen Zusammenhang der Überlieferung wiederherzustellen. Da die Verzeichnung von 1937 nicht mehr mit heutigen Richtlinien übereinstimmte, wurde das Bestandsverzeichnis mit Titeln, Enthält-Vermerken und Laufzeiten überarbeitet und ergänzt. Zur Vereinfachung der Suche nach Schlagwörtern wurde ein neuer Index erstellt.
Für die Akten der Abteilungen I und II des Zeitungsarchivs waren keine Laufzeiten vorhanden. Hier wurde pauschal für alle Akten die Gesamtlaufzeit der entsprechenden Abteilung übernommen. Es kann daher vorkommen, dass die Laufzeiten der einzelnen Akten nicht immer den gesamten genannten Zeitraum abdecken.
Das Findbuch entstand im Rahmen der archivpraktischen Ausbildung im Zeitraum Juni 2008 (Miriam Arold) und August 2009 (Claire Maunoury).
Bestandsbeschreibung
Hausakten (Regelung des Dienstbetriebs, Personalakten u.a.) 1919-1930 (27), Rheinische Frauenliga 1919-1930 (84), Politische Arbeit 1919-1930 (107), Kultur 1919-1930 (94), Wirtschaft 1919-1930 (17), Eupen-Malmedy 1919-1930 (13), Saargebiet 1919-1930 (57), Bücherreferat, Bild, Film, Vortragswesen 1919-1930 (109), Presse 1919-1930 (29), Organisation 1919-1930 (97), Kasse 1919-1930 (8), Handakten Rühlmann 1919-1930 (25),
Zeitungsausschnittarchiv 1921-1930 (212).
Die im vorliegenden Findbuch verzeichneten Akten enthalten Schriftgut zum Dienstbetrieb und zur inneren Verwaltung der RVP selbst, zur Rheinischen Frauenliga sowie zu verschiedenen, die Besetzung des Rheinlands betreffenden politischen Bereichen. Es sind zahlreiche Informationen über die Separatismusbewegungen sowie über politische Sabotage im besetzten Gebiet festgehalten, ferner kulturelle Angelegenheiten, wie Propaganda in Literatur, Film und Presse. Es sind Ausarbeitungen zu Flugblättern, Broschüren und Filmen, die sich gegen die Besatzung richten, dokumentiert, aber auch die kulturpolitische Arbeit und Propaganda der Besatzer in Deutschland. Des weiteren finden sich Unterlagen, die sich speziell auf die Gebiete Eupen-Malmedy und das Saargebiet beziehen und dort die wirtschaftliche und kulturelle Lage, insbesondere die französisch-belgische Propaganda und entsprechende Gegenmaßnahmen, schildern.
Abgerundet wird der vorliegende Aktenbestand durch das Zeitungsausschnittarchiv der RVP, das sich aus 3 Abteilungen zusammensetzt. Abteilung I enthält Artikel aus dem Zeitraum 1921-1923, die sich u.a. mit militärischen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen der Rhein- und Ruhrbesetzung beschäftigen.
In den Artikeln der Abteilung II geht es insbesondere um die deutsch-französische Außenpolitik sowie um die Räumung der besetzten Gebiete 1924-1930, während in der Abteilung III Ausschnitte aus französischen, englischen und italienischen Zeitungen zur Rheinbesetzung und anderen Folgen des Versailler Vertrages gesammelt sind.
Erschliessungszustand
Online-Findbuch (2009)
Zitierweise
BArch R 1603/...