Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Extent and Medium
Schriftgut
58 Aufbewahrungseinheiten
1,3 laufende Meter
Creator(s)
- Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB), 1895-1945
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Bei den vom Zentralarchiv des FDGB in der Historischen Abteilung zusammengefassten Beständen handelt es sich um Restbestände verschiedener Provenienzen, die zu den seit 1935 im Zentralarchiv der Deutschen Arbeitsfront zusammengeführten Unterlagen gehörten. Die durch kriegsbedingte Verluste stark reduzierten Bestände wurden 1945/1946 dem FDGB übergeben. In der Folgezeit wurden die Bestände durch lokale Provenienzen und Kopien aus anderen Archiven ergänzt.
Aufgaben und Organisation:
Auf der vom 16. bis 17. November 1890 nach Berlin einberufenen Konferenz sämtlicher Gewerkschaftsvorstände wurde eine Kommission gewählt, die sich als Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands konstituierte. Diese Kommission unterstützte maßgeblich die Zentralisationsbestrebungen der freien Gewerkschaften.
Vom 14. bis 18. März 1892 wurde durch die Generalkommission ein Kongreß nach Halberstadt einberufen (208 Delegierte). Dieser Kongreß orientierte auf zentralisierte gewerkschaftliche Beruforganisationen (verwandte Berufe sollten gemeinsam starke Zentralvorstände nach dem Vorbild des Deutschen Metallarbeiter Verbandes - DMV - bilden). Die freien Gewerkschaften vereinigten alle Teile der Arbeiterschaft, auch Arbeiterinnen, in ihren Reihen.
Der Halberstädter Kongreß bestätigte die im November 1890 von der Berliner Vorständekonferenz berufene, aus sieben Mitgliedern bestehende Kommission als Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Mit der Generalkommission besaßen die freien Gewerkschaften ein koordinierendes Zentrum.
Von der Generalkommission wurden Kommissionen gebildet, u.a. die Kommission zur Bekämpfung des Kost- und Logiezwanges, die Kommission für Bauarbeiterschutz (siehe RY 24), die Zentralkommission der Gewerbegerichtsbeisitzer. Seit 1903 existierte bei der Generalkommission ein Zentralarbeitersekretariat als Rechtshilfebeistand der Gewerkschaftsmitglieder gegenüber dem Reichsversicherungsamt und als Rechtsberatungsstelle der Zentralverbände. 1905 wurde ein Arbeiterinnensekretariat gebildet und 1910 schließlich nahm die sozialpolitische Abteilung der Generalkommission die Arbeit auf. Diese sozialpolitische Abteilung übernahm die Funktion der bis dahin bestehenden Kommissionen und wirkte beratend an der Vorbereitung von sozialdemokratischen Gesetzesvorlagen für die Sozialgesetzgebung in den Parlamenten mit. 1914 hatte die Generalkommission folgende Organisationsstruktur: Verwaltungsbüro bzw. -abteilung, statistische Abteilung, Kasse, Arbeiterinnensekretariat, Redaktion und Expedition, Zentralarbeitersekretariat, sozialpolitische Abteilung (vgl.: Rechenschaftsbericht der Generalkommission vom 1. Juni 1911 bis 31. Mai 1914, Berlin 1914).
1896 wurde als beratende Kontrollinstanz der Generalkommission der Gewerkschaftsausschuß gebildet, dem je ein Vertreter der angeschlossenen Verbände angehörte. Eine 1902 vom Ausschuß gebildete Revisionskommission überprüfte jährlich die Kassenberichte der Generalkommission. 1914 wurde die Funktion des Ausschusses von der Vorständekonferenz übernommen. Vorständekonferenzen wurden seit etwa 1900 durch die Generalkommission regelmäßig durchgeführt.
Anfang des 20. Jahrhunderts setzte sich zunehmend die Auffassung von der parteipolitischen Neutralität der freien Gewerkschaften durch (Ablehnung des politischen Massenstreiks als Kampfform der Gewerkschaften auf dem Kölner Gewerkschaftskongreß, 1905).
Durch den 1. Weltkrieg kam es zu einem erheblichen Rückgang der Mitgliederzahlen bei den freien Gewerkschaften.
Am 15. November 1918 wurde durch die Generalkommission, die christlichen Gewerkschaften und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine das Abkommen über die Zentrale Arbeitsgemeinschaft (ZAG) mit den Unternehmerverbänden geschlossen. Dieses Abkommen beinhaltete u.a. die Anerkennung der Gewerkschaften als Vertretung der Arbeiter, die Koalitionsfreiheit und den Achtstundenarbeitstag.
Der vom 30. Juni bis 10. Juli 1919 nach Nürnberg einberufene 10. Gewerkschaftskongreß beschloß die Bildung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). Der ADGB stellte eine festere organisatorische Zusammenfassung der Zentralvorstände dar als die Generalkommission.
Die Aufgaben des Bundesvorstandes waren breiter gefächert als bei der Generalkommission, sie beinhalteten u.a. die Agitation, den Arbeitsschutz, die gewerkschaftliche Bildung, Entscheidungsbefugnis bei der Abgrenzung der Organisationsgebiete der Zentralverbände, Unterstützung und Koordinierung bei Kampfaktionen der Zentralverbände und internationale Beziehungen. Der Bundesvorstand bestand aus 15 gewählten Mitgliedern (7 haupt- und 8 ehrenamtliche). Er war das Exekutivorgan des Bundes, hatte die Beschlüsse der Gewerkschaftskongresse und des Bundesausschusses durchzusetzen und war darüber hinaus für die Kontrolle und Anleitung der Bezirks- und Ortsausschüsse verantwortlich.
Neben dem gewählten Vorstand bestand der Bundesvorstand aus einem größeren Verwaltungsapparat. Der Bundesvorstand gliederte sich in Abteilungen, von denen die wichtigsten die Rechtsabteilung, die Abteilung für Sozialpolitik, die Abteilung für Wirtschaftspolitik, die Jugendabteilung und die Abteilung für Arbeiterinnenfragen waren.
An die Stelle der Vorständekonferenz der Generalkommission trat der Bundesausschuß in dem alle dem ADGB angeschlossenen Verbände durch ihren Vorsitzenden und je einen Vertreter auf 300.000 Mitglieder vertreten waren. Der Bundesausschuß überwachte die Tätigkeit und Kassenführung des Bundesvorstandes und konnte bei Einstimmigkeit statuarische Beschlüsse fassen. Wichtige Beschlüsse des Bundesvorstandes wurden durch den Bundesausschuß bestätigt.
Der 11. Kongreß (1. Bundestag des ADGB) vom 19. bis 24. Juni 1922 in Leipzig beschloß, die Umwandlung des ADGB in eine Einheitsgewerkschaft anzustreben - die Berufsorganisationen sollten sich zu Industriegewerkschaften zusammenschließen. Dieser Beschluß, besonders durch den DMV vertreten, wurde nur sehr unvollkommen umgesetzt. Darüber hinaus wurde auf diesem Kongreß für jeden Bezirk der Bezirkswirtschaftsräte die Bildung eines Bezirksausschusses beschlossen (insgesamt 12 mit 5 bis 7 Mitgliedern).
Auf der lokalen Ebene wurden die Ortskartelle der Generalkommission von den Ortausschüssen des ADGB abgelöst. Diese Ortsausschüsse setzten sich aus Vertretern der Ortsverwaltungen der einzelnen Gewerkschaften zusammen.
Am 2. Mai 1933 wurden auf Initiative der nationalsozialistischen Reichsregierung die Gewerkschaftshäuser und -büros besetzt, die Verbandsvorstandsvorsitzenden und Bezirkssekretäre verhaftet und das gesamte Vermögen der freien Gewerkschaften beschlagnahmt. An die Stelle der gewählten Leitungen wurden vom Aktionskomitee zum Schutze der deutschen Arbeit unter Führung von Robert Ley nationalsozialistische Kommissare eingesetzt. Schließlich erfolgte am 10. Mai 1933 die Gründung der Deutschen Arbeitsfront (DAF).
Vorsitzende:
Carl Legien 1892-1920
Gustav Bauer (2. Vors.) 1908 - 1918
Theodor Leipart 1921 - 1933
Presse:
"Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands"
Mitglieder:
1896: 329.230
1900: 680.427
1905: 1.344.803
1910: 2.017.298
1914 (I. Quartal): 2.478.861
1914 (IV. Quartal): 1.485.428
1917 (30.6.): 1.089.288
1918: 1.664.991
1919: 5.479.073
1922: 7.895.065
1924: 4.618.353
1925: 4.156.451
1928: 4.653.586
1931: 4.417.852
1932: 4.743.585
Kongresse:
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Kongreß: 14. - 18. März 1892 in Halberstadt
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Kongreß: 04. - 08. Mai 1896 in Berlin
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Kongreß: 08. - 13. Mai 1899 in Bockenheim (Frankfurt/Main)
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Kongreß: 16.- 21. Juni 1902 in Stuttgart
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Kongreß: 22. - 27. Mai 1905 in Köln
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Kongreß: 22. - 27. Juni 1908 in Hamburg
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außerord. Kongreß: 25. - 26. Apr. 1910 in Berlin
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Kongreß: 26. Juni - 01. Juli 1911 in Dresden
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Kongreß: 22. - 27. Juni 1914 in München
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Kongreß: 30. Juni - 05. Juli 1919 in Nürnberg
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Kongreß: 19. - 24. Juni 1922 in Leipzig
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Kongreß: 31. Aug. - 04. Sept. 1925 in Breslau
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Kongreß: 03. - 07. Sept. 1928 in Hamburg
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Kongreß: 31. Aug. - 04. Sept. 1931 in Frankfurt/Main
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außerord. Kongreß: 13. Apr. 1932 in Berlin
Bestandsbildung:
Das Archiv entwickelte sich aus der 1910 gebildeten Sozialpolitischen Abteilung der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Hauptaufgabe dieser Abteilung sollte die Sammlung von Materialien für den Arbeiterschutz und die Propaganda zur Beseitigung sozialer Mißstände sein. Im Rechenschaftsbericht der Generalkommission vom Mai 1911 wurde der Auftrag der Abteilung so formuliert: "alle Materialien für die Sozialgesetzgebung [zu] sammeln und geordnet zur Verfügung [zu] halten, daß sie jederzeit bei Beratung einer Gesetzesvorlage in den Parlamenten oder zur Begründung der seitens der Vertreter der Arbeiterschaft zu stellenden Anträge Verwendung finden können." (siehe: Rechenschaftsbericht der Generalkommission von 01. Juni 1908 bis 31. Mai 1911, Berlin 1911). Kern dieses Archivs bildete die Zeitungsausschnittsammlung (Pressearchiv). Da die Sozialdemokratische Partei (SPD) sehr an dieser Sammlung interessiert war, beteiligte sie sich an den Kosten und erhielt dadurch ein Mitbestimmungs- und Nutzungsrecht. Die neue Abteilung wurde mit drei Gewerkschaftsbeamten und zwei Hilfsarbeitern besetzt.
Der Hauptteil des dienstlichen Schriftgutes befand sich vermutlich in der Verwaltungsabteilung (auch Verwaltungsbüro) der Generalkommission. Über Umfang und Aufbau der Registratur fehlen genauere Angaben. Für die Einrichtung und Fortführung der Registratur wurde ab 1913 ein Mitarbeiter eingestellt.
Darüber hinaus übernahm die Sozialpolitische Abteilung die Bibliothek der Generalkommission, die vorher von der Statistischen Abteilung verwaltet worden war. Vereinzelt gelangte auch Archivgut in die Bibliothek. In verschiedenen Bänden der vom Zentralen Gewerkschaftsarchiv des FDGB übernommenen Akten der Deutschen Gewerkschaften vor 1933 sind Stempelabdrucke dieser Bibliothek zu finden.
Nach der Zerschlagung der freien Gewerkschaften am 2. Mai 1933 durch die Nationalsozialisten sowie die Auflösung der christlichen und Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften im Laufe des Jahres 1933 gelangten diese Unterlagen in das spätere Hauptarchiv der NSDAP und das Zentralarchiv der Deutschen Arbeitsfornt (DAF). Dazu gehört zum Beispiel die Sammlung des Gewerkschafters Johannes Sassenbach (NS 26/ 792, 2160, 2312, 2342). Vgl. Findbuch des Bestandes NS 26 Hauptarchiv der NSDAP, Bestandsverzeichnis, Abschnitt 20.4 Gewerkschaften.
Bestandsbeschreibung
Überliefert sind:
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v. a. Protokolle des Bundesausschusses
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Rundschreiben und Mitteilungen, Konferenzen, Jahresberichte und Protokolle verschiedener Ortsausschüsse bzw. -kartelle
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Unterlagen über den Bau der Bundesschule des ADGB in Bernau
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der Bericht des Regierungsassessors Dr. Palfner über seine Reise in die Sowjetunion (6 Bde)
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Unterlagen der Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften - Landesgruppe Schweden 1937-1945
Erschliessungszustand
Publikationsfindbuch, Onlinefindbuch
Zitierweise
BArch RY 23/...