Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion
Extent and Medium
Schriftgut
2381 Aufbewahrungseinheiten
Creator(s)
- Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben, 1939-
- Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, 1940-1945
- Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, 1940-1942
Biographical History
Geschichte des Bestandsbildners
vgl. Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion
Das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition wurde durch Führererlass vom 17. März 1940 begründet (RGBl. I S. 513). Es war eines der jüngsten Reichsministerien. Seine Lebensdauer betrug bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 nur wenig mehr als fünf Jahre. Zweck des neuen Ministeriums war die Zusammenfassung aller in der Waffenherstellung und Munitionserzeugung tätigen Stellen im Großdeutschen Reich und im Generalgouvernement zu höchster Leistung. Maßgebend bei der Gründung war wohl auch die Rücksicht auf die bevorstehenden Feldzüge gegen Nord- und Westeuropa, vor allem gegen Frankreich. Die Bindung des Ministeriums an die Kriegsaufgaben war so eng und nur auf das nächstliegende beschränkt, dass im weiteren Kriegsverlauf seine Abhängigkeit von der jeweiligen militärischen Lage des Reiches sich immer stärker und lebhafter äußerte und eines seiner wesentlichen Merkmale wurde. Die 1. Durchführungsverordnung vom 20. März 1940 (RGBl. I S. 514) umschrieb die Aufgaben des Reichsministeriums in großen Zügen. Reichsminister für Bewaffnung und Munition wurde Dr.-Ing. Fritz Todt (geb. 1891), Generalmajor der Luftwaffe, der seit 5. Juli 1933 Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (RGBl. II 1933 S. 509, § 8, und I 1933 S. 1081. Oberste Reichsbehörde durch Erlass des Reichspräsidenten vom 30. Nov. 1933, RGBl. I S. 1057) und Chef der nach ihm benannten, 1933 für den Bau der Reichsautobahnen gebildeten Organisation Todt (OT) war.
Todt gliederte das neue Reichsministerium in die beiden Geschäftsbereiche Bewaffnung und Munition (= eigentliches Ministerium) und Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (einschließlich OT-Zentrale). Dagegen ließ er sein Amt als Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft , das seit Anfang 1939 als Vierjahresplanbehörde tätig war, außerhalb seines Ministeriums. Für die allgemeine Angelegenheiten aller seiner Ämter richtete Todt das Ministeramt und die Zentralabteilung ein.
Die Stellung Todts und seiner Geschäftsbereiche wurde noch mehr gefestigt; als der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen durch Erlass vom 3. April 1941 (RGBl. I S. 192) die Befugnisse eines Reichsministers erhielt. Ein fünfter, besonders bedeutender Auftrag wurde Todt zuteil, als er durch Erlass vom 29. Juli 1941 (RGBl. I S. 467) in das neugeschaffene Amt des Generalinspektors für Wasser und Energie - Oberste Reichsbehörde - mit Stellung und Befugnissen eines Reichsministers berufen wurde.
Nachfolger in allen Ämtern des am 8. Febr. 1942 tödlich verunglückten Reichsministers Todt wurde am 15. Febr. 1942 (RGBl. I S. 80) der Architekt Dipl.-Ing. Prof. Albert Speer (geb. 1905). Speer war seit 1933 mit Bauten der NSDAP, vor allem in Nürnberg, beauftragt und bekleidete nur einige Parteiämter für Architektur und Städtebau, bis er am 30. Jan. 1937 das für ihn neugebildete Amt des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt Berlin (RGBl. I S. 103) übernahm.
Speer besaß außerordentliche organisatorische Fähigkeiten, die sich vor dem Kriege bei den großzügigen Bauvorhaben für die Nürnberger Parteibauten und die umfassende städtebauliche Neugestaltung Berlins ausgewirkt hatten. Sie fanden nunmehr ein neues Betätigungsfeld, das mit den ins Uferlose steigenden Erfordernissen der deutschen Kriegsführung einen immer gewaltigeren Umfang annahm. Von Anfang an scheute Speer nicht davor zurück, seinem Ministerium auch Arbeitsgebiete anderer Oberster Reichsbehörden einzugliedern oder gänzlich neue Organisationsformen zu schaffen, wenn er es für notwendig hielt. Kennzeichen seiner Tätigkeit war daher nicht nur das ständige Bestreben, die Kompetenzen seines gesamten Geschäftsbereichs zu erweitern, sondern auch ein fortgesetztes Um- und Neuorganisieren, das im letzten Kriegsjahr, aufs stärkste beeinflusst von den militärischen Rückschlägen an allen Fronten und fast völlig abhängig von dem verschärften Luftkrieg gegen das Reichsgebiet, immer hastiger vor sich ging. Die Tätigkeit des Ministeriums war eigentlich seit Mitte 1944 nur noch auf die Erfordernisse des Augenblicks und, soweit überhaupt noch möglich, auf deren Erfüllung eingestellt.
Unter dem Druck der militärischen Lage beim Jahresbeginn 1942, nach dem Fehlschlag einer schnellen Niederwerfung Russlands im Winter 1941/42, sah Speer seine neue Aufgabe in der weitgehenden Steigerung der Kriegsproduktion. Die von Todt geschaffene Einrichtungen, die sich fast nur auf die Lenkung der Munitionsherstellung beschränkten, reichten dazu nicht aus. Die Aufgaben der gesamten Waffenherstellung konnte Speer aber nur dann verwirklichen, wenn ihm der Beauftragte für den Vierjahresplan und das Oberkommando der Wehrmacht die seither von ihnen selbst wahrgenommenen Angelegenheiten dieser Art überließen. Um dem Machtstreben des Beauftragten für den Vierjahresplan, Reichsmarschall Göring, nicht zu nahe zu treten, ließ sich Speer bereits am 1. März 1942 zum Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben innerhalb des Vierjahresplans bestellen (Nachr. Speer S. 50). Dazu setzte er die Bildung der Zentralen Planung beim Beauftragten für den Vierjahresplan am 22. April 1942 durch (Nachr. Speer S. 6). Mit diesen beiden Einrichtungen, die Speer von Anfang an nur als Dienststellen seines Ministeriums auffasste und entwickelte, hatte er gegenüber dem Vierjahresplan genügend freie Hand.
Diesem ersten bedeutenden Einbruch in ein bisher festgefügtes Interessengebiet folgte unmittelbar ein zweiter, ebenso wichtiger. Speer erreichte mit dem Führererlass vom 7. Mai 1942 (Nachr. Speer S. 33), dass ihm das Oberkommando der Wehrmacht die bedeutendsten Teile des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes mitsamt den nachgeordneten Rüstungsdienststellen (Rüstungs-Inspektionen und Rüstungs-Kommandos) für die Dauer des Krieges abtrat. Heer und Marine waren seitdem hinsichtlich ihrer Rüstungsaufgaben an die Weisungen Speers gebunden. Dagegen unterstand die Luftrüstung weiterhin dem Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, sie wurde erst durch Erlass vom 20. Juni 1944 Speer übertragen (Nachr. Speer S. 409, 410). Aus dem Wehrwirtschaftsamt wurde beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition am 7. Mai 1942 das neue Rüstungsamt geschaffen; die beim Oberkommando der Wehrmacht verbliebenen Restaufgaben des bisherigen Wehrwirtschaftsamts wurden dem dort gebildeten Feldwirtschaftsamt übertragen.
Außerdem trat im April 1942 das Oberkommando des Heeres seine seit 1937 bestehende, nach dem Hollerithverfahren arbeitende Lochkartenstelle an Speer ab, der daraus eine besondere Amtsstelle Maschinelles Berichtswesen (MB) bildete. Mit der MB-Zentralstelle und ihren regional verteilten Außenstellen (MB-Bezirksstellen) schuf sich Speer alsbald ein Instrument, das allein imstande war, ihm die unerlässlichen Unterlagen für alle Planungsarbeiten unmittelbar, schnell und zuverlässig zu liefern.
Um die kriegswichtige Fertigung fachlich im einzelnen genau zu lenken und zu überwachen, rief Speer bald nach Antritt seines Ministeramtes die neue Organisation der Selbstverantwortung in der Rüstungswirtschaft (ISV = Industrielle Selbstverantwortung ) ins Leben. Den Begriff der Selbstverantwortung hatte schon Todt im März 1940 geprägt, aber die daraufhin eingerichteten Selbstverantwortungsstellen der Industrie (Nachr. Speer S. 31) waren bei dem Versuch, die Industrie einzuschalten, stehengeblieben. Speer ging auf diesem Weg erfolgreich weiter und beteiligte die gesamt Rüstungswirtschaft in einem dichten Netz von ehrenamtlich tätigen Ausschüssen und Ringen verantwortlich an der Planung und Durchführung der Beschaffung von Munition und Waffen. Die durch seinen Erlass vom 20. April 1942 gebildeten Ausschüsse (Haupt-, Sonder- und Arbeitsausschüsse für die kriegswichtige Fertigung) und Ringe (Haupt-, Sonder- und Arbeitsringe für die Zulieferung) fanden ihre zentrale Spitze im gleichzeitig neugebildeten Rüstungslieferungsamt des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Nachr. Speer S. 25).
Nach diesen ersten bedeutenden Erweiterungen gliederte sich der gesamte Geschäftsbereich Speer im Mai 1942, noch angelehnt an die von Todt übernommene Einteilung, folgendermaßen:
Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition zugleich
Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan,
Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen,
Generalinspektor für Wasser und Energie,
Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft im Vierjahresplan,
verfügte über mehrere Zentralabteilungen (Recht und Organisation, Finanzen und Wirtschaft, Personal und Verwaltung, Kultur, Organisation Todt), die für alle Ämter Speer gleichzeitig zuständig waren.
Außerdem gab es mit ihren jeweiligen besonderen Aufgaben und entsprechender Geschäftsverteilung die vier Geschäftsbereich:
Reichsminister für Bewaffnung und Munition,
Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen,
Generalinspektor für Wasser und Energie,
Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft
Speer schloss also, anders als ein Vorgänger, den Geschäftsbereich "Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft" als Rüstungsangelegenheit seinem Ministerium an. Dagegen ließ er sein Amt als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt zunächst noch außerhalb seiner Kriegsrüstungsaufgaben für sich bestehen; es wurde erst etwa Anfang 1944 dem Ministerium angeschlossen, und zwar dem Geschäftsbereich "Generalbauinspektor für die Regelung der Bauwirtschaft", nachdem der Generalbauinspektor auch mit der Neugestaltung zahlreicher anderer Städte, insbesondere aber mit dem Wiederaufbau bombengeschädigter Städte beauftragt worden war (Führererlass vom 11. Okt. 1943 - RGBl. I S. 575).
Der Geschäftsbereich "Reichsminister für Bewaffnung und Munition", der hier hervorgehoben werden muss, war seinerseits in vier, sämtlich erst im März/April 1942 errichtete Ämter gegliedert: Zentralamt, Technisches Amt, Rüstungslieferungsamt, Rüstungsamt. Das Zentralamt stand also keineswegs etwa an der Spitze des ganzen Geschäftsbereichs Speer. Das Technische Amt war dazu berufen, die technischen Angelegenheiten der Waffenherstellung (Entwicklung neuer Waffen u.a.) wahrzunehmen.
Den schon von Todt als beratendes Organ berufenen Rüstungsrat (Zentralausrüstungsrat) ließ Speer bestehen, ergänzte ihn aber schon bald durch einen Rüstungsstab. Ebenso übernahm er die vorhandenen Kommissionen (von Sachverständigen) für bestimmte Waffenfertigungsfragen, berief aber schon bald nach seinem Amtsantritt einige weitere. Sie wurden später durch eine größere Zahl von Arbeitsstäben für sachlich und zeitlich engumgrenzte Aufgaben ergänzt. Die Kommissionen und Arbeitsstäbe sind heute im einzelnen noch nicht restlos erkennbar.
Ein sichtbares äußeres Zeichen des neuen Geistes, der mit Speer im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition seinen Einzug hielt, war die Herausgabe der "Nachrichten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition". Sie erschienen anfangs als geheimes, ab Nr. 4 als vertrauliches und deshalb jetzt selten gewordenes Ministerialblatt (Nr. 1 - 28 vom 31. März 1942 bis 6. Sept. 1943), fortgesetzt als "Nachrichten des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion" (Nr. 29 - 55 vom 15. Sept. 1943 bis 13. März 1945; weitere Nummern z. Zt. nicht feststellbar).
Die lückenlose fachliche Aufgliederung der Rüstungswirtschaft durch Ausschüsse und Ringe wurde noch 1942 ergänzt durch ein dichtes regionales Netz von Rüstungsdienststellen als Mittelinstanz im Reichsgebiet, in den angegliederten und besetzten Gebieten sowie in den mit dem Reich verbündeten Staaten. Rüstungsdienststellen waren alle Rüstungskommissionen, Rüstungsinspektionen, Wehrkreisbeauftragten, Rüstungsobmänner und Bezirksobmänner. Ihre Aufgaben wurden wiederholt geregelt (insbesondere durch Erlass des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 17. Sept. 1942 - Nachr. Speer S. 127 - und die dazu ergangene 1. Durchführungsanordnung des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 10. Okt. 1942 - Nachr. Speer S. 133 -, umfassend durch Erlass des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion vom 29. Okt. 1943 - Nachr. Speer, Beilage nach Nr. 31 -, ergänzt durch Erlass Speers vom 22. Juni 1944 - Nachr. Speer S. 412 -).
Seine größte Machtfülle erreichte Speer durch den Führererlass vom 2. Sept. 1943 über die Konzentration der Kriegswirtschaft (RGBl. I S. 529). Die katastrophalen militärischen Niederlagen seit Beginn des Jahres 1943 und die dadurch eingetretenen ungeheuren Materialverluste verursachten abermals gesteigerte Anforderungen an die Rüstungswirtschaft. Die mit diesem Erlass vollzogene Umbenennung in "Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion" war in Wahrheit kein Zeichen kraftvoller Zusammenfassung, sondern Ausdruck der Not, die zur Zusammenlegung zwang, um dem drohenden Verhängnis, soweit wie überhaupt noch möglich, Einhalt zu gebieten. Hatte sich Speer schon im April 1942 mit den Selbstverantwortungsorganen der Ausschüsse und Ringe bedenklich dem Geschäftsbereich des Reichswirtschaftsministerium genähert, so nahm er sich jetzt daraus alles, was er für notwendig hielt. Da nahezu die gesamte Wirtschaft zugleich Kriegswirtschaft, fast die gesamte Produktion auch Kriegsproduktion war, so musste das Reichswirtschaftsministerium große Teile seiner bisherigen Aufgaben an das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion abtreten. Das Reichswirtschaftsministerium wurde geradezu ausgehöhlt und auf Handel und Gewerbe beschränkt.
Die Aufgaben des Reichsministeriums Speer schwollen gleichzeitig so erheblich an, dass es völlig umgebaut, teilweise sogar neu organisiert werden musste. Speers Erlass vom 29. Okt. 1943 über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft regelte diese Angelegenheiten bis ins einzelne (Nachr. Speer, Beilage nach Nr. 31).
Die gesamten Produktionsaufgaben wurden in sechs Hauptbereiche gegliedert, die dementsprechend von sechs z. T. neu gebildeten Ämtern des Reichsministeriums Speer beaufsichtigt wurden:
Rohstoffamt (neu gebildet),
Rüstungslieferungsamt,
Produktionsamt für Verbrauchsgüter (neu gebildet),
Technisches Amt für Rüstungsendfertigung,
Amt Bau (neu gebildet),
Amt Energie (neu gebildet).
Speer übernahm gleichzeitig auch die Selbstverwaltungsorgane der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftsgruppen der Reichsgruppe Industrie und deren Untergliederungen), die seit ihrer Errichtung 1934 zum Geschäftsbereich des Reichswirtschaftsministeriums gehörten, und bildete sie sofort zu Vollzugsorganen seines Ministeriums für die industrielle Produktion um. Die neuen Vollzugsorgane führten, ohne eigentlich neue Dienststellen zu bilden, unter Beibehaltung ihrer bisherigen Organisation und ihres Personals die Bezeichnung "Produktionshauptausschuss" für ihren jeweiligen Aufgabenbereich (= Wirtschaftsgruppe) und "Produktionsausschuss" (= Fachgruppe). Die Produktionshauptausschüsse wurden unmittelbar den zuständigen Ämtern des Ministeriums zugeordnet.
Die der gesamten Produktion gemeinsamen Aufgaben wurden als Querschnittsaufgaben besonders eingeteilt und folgenden Ämtern des Ministeriums zugewiesen:
Planungsamt (neu gebildet),
Rüstungsamt,
Technisches Amt,
Rüstungslieferungsamt,
Generalreferat Wirtschaft und Finanzen (aus der bisherigen Zentralabteilung Wirtschaft und Finanzen in erweiterter Form hervorgegangen),
Zentralabteilung Kultur.
Von größter Bedeutung unter diesen Dienststellen für Querschnittsaufgaben war das Planungsamt. Errichtet wurde es auf Speers Betreiben durch Erlass des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 4. Sept. 1943 (Nachr. Speer S. 314) beim Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben, seine Aufgaben durch Erlass des Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben vom 16. Sept. 1943 (Nachr. Speer S. 323) näher bestimmt. Die Bildung dieses Amtes stellte den zu spät unternommenen Versuch dar, der gesamten kriegswirtschaftlichen Planung noch Herr zu werden und der Zentralen Planung eine Art ausführendes Organ zu geben. Speers Absichten hatten sich auf diesem Gebiet offensichtlich nur langsam entwickelt, vielleicht auch nur schwer durchsetzen lassen. Denn die Zentrale Planung war zwar bereits am 22. April 1942 (Nachr. Speer S. 6) gebildet worden, sie erhielt aber erst gemäß nichtveröffentlichtem Erlass vom 20. Okt. 1942 (erwähnt Nachr. Speer S. 324, Art. IV) ein eigenes Büro, dessen Aufgaben durch Erlass Speers vom 16. Sept. 1943 (Nachr. Speer S. 324, Art. IV) endlich dem Planungsamt übertragen wurden. Auch des Planungsamtes bediente sich Speer als einer Dienststelle seines Ministeriums, nicht als einer solchen des Vierjahresplanes.
Die Bildung des Amtes Bau durch nichtveröffentlichten Erlass Speers vom 29. Okt. 1943 leitete eine weitere Entwicklung auf dem Gebiet des Rüstungsbauwesens ein. Zunächst gelang es Speer durch dieses neue Amt, sich als bisheriger Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft aus dem Abhängigkeitsverhältnis zum Beauftragten für den Vierjahresplan zu lösen, da er jetzt alle von diesem Auftrag herrührenden Aufgaben seinem eigenen Amt Bau übertrug. Die aus dem Geschäftsbereich des Reichswirtschaftsministeriums übernommenen Dienststellen "Wirtschaftsgruppe Bauindustrie" und "Der Reichsbeauftragte für den Holzbau" (berufen durch Verordnung vom 29. März 1943 - Reichsanz. Nr. 76 -) ergaben, zusammen mit den bisherigen Rüstungsbauaufgaben Speers, ein genügend großes Feld für dieses Amt des Ministeriums. Im Mai 1944 wurde schließlich die bisher noch für sich bestehende Organisation Todt (OT) auf das Reich übernommen und durch organisatorische Eingliederung in das Amt Bau völlig mit dem Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion verschmolzen (Erlass noch unbekannt. Erwähnt: Mitteilungsblatt der OT-Zentrale 1944, S. 339, und Aussage Speers in Nürnberg - in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. Deutsche Ausg. Bd. 16, Nürnberg 1948, S. 518).
Wie vordem Todt, so hatte auch Speer als Reichsminister und Chef der OT zur Wahrung dieser letzteren Aufgabe nur die OT-Zentrale in seinem Ministerium zur Verfügung. Speer wurde durch Erlass vom 2. Sept. 1943 (RGBl. I S. 530) als Chef der OT und der bei ihr eingesetzten Transporteinrichtungen bestätigt und gleichzeitig unmittelbar dem Führer unterstellt, die OT selbst zur "Einrichtung zur Durchführung kriegsentscheidender Bauaufgaben aller Art" erklärt. Diese Übernahme der gesamten OT in das Ministerium erweiterte Speers Stellung und Auftrag beträchtlich. Die OT hat ihre eigene, nach damaligem Zeitmaß lange Geschichte, die im einzelnen noch erforscht werden muss. Sie entstand bereits 1933 als Zusammenfassung der technischen und Bautruppe, die Todt als Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen zum Zweck der Planung und Durchführung des Baues der Reichsautobahnen aufgestellt hatte. Seit dem Baubeginn an militärischen Befestigungen der westlichen Reichsgrenze ("Westwall) 1937/38 wurde die OT zunehmend für Wehrbauten herangezogen und fortlaufend vergrößert. Ihr Arbeitsgebiet wurde mit Kriegsbeginn räumlich und sachlich fast ins unübersehbar gesteigert. Als Speer 1942 Chef der OT wurde, traten zu den bisherigen technischen und Bau-Einheiten mehrere unabhängig davon entstandene Transporteinrichtungen, so das Transportkorps Speer und die Transportflotte Speer (beide ursprünglich wohl aufgestellt für Speers Aufgaben als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt und im Rahmen der Nürnberger Parteibauten seit 1937), die NSKK-Transporteinheiten (aufgestellt 1940 für die besetzten westlichen und norwegischen Gebiete), sowie einige kleinere Transportformationen für Sonderzwecke.
Auch die Entwicklung des Geschäftsbereichs "Generalinspektor für Wasser und Energie" war seit der Amtsübernahme durch Speer eng mit der Kriegs- und Kriegswirtschaftslage verknüpft und führte zu einer Aufspaltung seiner Aufgaben. Innerhalb des Geschäftsbereichs verblieben unverändert nur alle Angelegenheiten der Wasserwirtschaft und der Wasserstraßen. Dagegen sonderten sich die Fragen der Energiewirtschaft (Elektrizitäts- und Gasversorgung), die für die Kriegsproduktion von ausschlaggebendem Gewicht waren, ziemlich rasch als selbständig ab. Mit einfachen Sparmaßnahmen, die im August 1942 zur Errichtung der Energiestelle beim Rüstungslieferungsamt führten (Nachr. Speer S. 99), begann die Entwicklung, mit durchgreifenden organisatorischen Maßnahmen endete sie binnen Jahresfrist in der Bildung des Amtes Energie im Zug der Konzentration der gesamten Kriegswirtschaft (Nachr. Speer, Beilage nach Nr. 31). Doch blieben im September 1943 gewisse Besonderheiten der Energiewirtschaft auch hinsichtlich ihrer Verwaltung gewahrt. Die Energiestelle (für Sparmaßnahmen in einzelnen Betrieben) blieb deshalb weiterhin bestehen, ebenso die durch Speers Erlass vom 11. Dez. 1942 (Nachr. Speer S. 198) ins Leben getretene Dienststelle Energieplanung. Alle sonstigen Aufgaben betreute nunmehr das Amt Energie. Grundlegende Handhaben für dessen Tätigkeit boten bereits die Verordnung zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung vom 3. Sept. 1939 (RGBl. I S. 1607) mit gleichzeitiger Bildung der Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft (Reichslastverteiler Elektrizität) und die Verordnung zur Sicherstellung der Gasversorgung vom 20. Sept. 1939 (RGBl. I S. 1856), die später die Errichtung des Reichslastverteilers Gas zur Folge hatte. Diese Grundlagen wurden durch den Führererlass vom 6. Aug. 1943 (RGBl. I S. 479) über Kriegsmaßnahmen in der Elektrizitätswirtschaft erheblich erweitert; Speer wurde ermächtigt, "alle Maßnahmen zum kriegswirtschaftlich zweckmäßigsten Einsatz der Elektrizitätsbetriebe zu treffen". So vereinigte das neue Amt Energie alle Aufgaben der Lenkung und Führung der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft. Ihm gehörten die beiden Reichslastverteiler Elektrizität und Gas sowie der Sonderbeauftragte für die Energieeinsparung (berufen auf Grund der Verordnung über Einschränkung des Energieverbrauchs vom 22. Juni 1943 - RGBl. I S. 366 -) an, zugeordnet waren die Reichsgruppe Energiewirtschaft mit ihren beiden Wirtschaftsgruppen Energieversorgung und Gas- und Wasserversorgung.
Eine besondere Gruppe im Gesamtbereich Speer bildeten die von ihm gegründeten und betreuten Gesellschaften . Deutsche Kriegsgesellschaften in der Form privatrechtlich organisierter, aber mit öffentlichen Mitteln ausgestatteter und im Reichsinteresse tätiger Unternehmen hatte es bereits im Ersten Weltkrieg gegeben. Der nationalsozialistische Staat griff darauf bereits 1937 zurück, als im Rahmen der Durchführung des Vierjahresplanes Reichsunternehmungen ins Leben gerufen wurden, unter ihnen als bedeutendste die Reichswerke AG für Berg- und Hüttenbetriebe Hermann Göring. Wiederum war der Vierjahresplan seit 1940 führend an der Bildung von Kriegsgesellschaften zur Ausbeutung der besetzten Ostgebiete beteiligt. Ihm folgte 1941 das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete mit einigen ähnlichen Unternehmen. Das Reichswirtschaftsministerium hingegen beschränkte sich auf mehrere Handelsgesellschaften. Auch die Speer-Gesellschaften, über die alle wesentlichen Aufschlüsse noch fehlen, blieben Handels- oder Holdingsgesellschaften, die ihrerseits Tochtergesellschaften für besondere Zwecke als Betriebsgesellschaften gründeten. Von ihnen konnten bisher folgende ermittelt werden:
Unmittelbar dem Reichsministerium gehörig:
Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH [= Montan-Industriewerke GmbH?], mit Beteiligungen
Hanseatisches Kettenwerk GmbH
Alkett Altmärkisches Kettenwerk GmbH,
Spandauer Stahl-Industrie GmbH,
Faserstoff- und Spinnerei-AG Fürstenberg,
Feinmechanische Werke GmbH,
Ostmarkwerke GmbH,
Paltenstahlindustrie GmbH,
Sprengstoffwerke Blumenau AG,
Warschauer Vereinigte Maschinenfabriken AG,
Monturon GmbH Briesen/Mark, Verwaltung Ludwigshafen/Rhein.
Mittelbar dem Reichsministerium gehörig:
Rüstungskontor GmbH, Berlin, mit Beteiligungen
Deutsche Industrie-Werke AG,
Düna-Werke Gerätebau GmbH,
Mittelwerk GmbH
Industriekontor GmbH, mit Beteiligungen
Roges Rohstoff-Handelsgesellschaft mbH, Berlin,
Betriebsmittel GmbH, Berlin,
Erdölanlagen GmbH, Berlin,
Esplanade-Hotel AG, Berlin,
Ostdeutsche Maschinenbau GmbH,
Festkraftstoff AG, Friesack (Mark),
Generatorkraft AG, Berlin
Famo Fahrzeug- und Motorenwerke AG, Breslau
Forschungsgesellschaft für Formung GmbH,
Metallwerk Spaichingen GmbH,
Weingutbetriebe GmbH.
Im Geschäftsbereich Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen:
Reichsautobahn-Kraftstoff GmbH,
Reichsautobahn-Raststätten GmbH.
Im Geschäftsbereich Generalinspektor für Wasser und Energie:
Saaletalsperre AG, Weimar
Energieversorgung Oberschlesien AG,
Energiebau Ost GmbH,
Süddeutsche Ferngas AG,
Ferngas Schlesien AG.
Im Geschäftsbereich Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt:
Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker GmbH, Berlin,
Bildteppichwerkstätten GmbH, Berlin.
Unter den großen organisatorischen Maßnahmen des Spätjahrs 1943 innerhalb des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion war schließlich auch die Gründung einer eigenen Betriebskrankenkasse von Bedeutung. Im gesamten Geschäftsbereich Speer waren bei Jahresbeginn 1943 als Verwaltungspersonal rund 30.000 Personen beschäftigt, davon rund 7000 im eigentlichen Ministerium, rund 23.000 bei den sonstigen Dienststellen (ohne die Bediensteten und Arbeiter der OT-Gliederungen und der Speer-Gesellschaften). Spätere Nachweise fehlen, doch dürften sich bis Anfang 1944 diese Zahlen noch merklich erhöht haben. Das Reichsministerium Speer stand damit weitaus an der Spitze aller Obersten Reichsbehörden. Diese ungeheure personelle Ausweitung, zu der auch Tausende von krankenkassenpflichtigen Personen erforderlich waren, führte noch Ende 1943 zur Bildung der Betriebskrankenkasse Speer. Sie ging auf die Betriebskrankenkasse der Reichsverkehrsverwaltung zurück, die 1941 beim Übergang der Reichswasserstraßenverwaltung auf den Generalinspektor für Wasser und Energie (Erlass vom 29. Juli 1941 RGBl. I S. 467 -, Bek. vom 23. Sept. 1941 - Reichsmin.bl. S. 221 -) mitübernommen worden war. Vom 1. Dez. 1943 ab wurde sie durch Runderlass Speers vom 7. Dez. 1943 unter der Bezeichnung "Betriebskrankenkasse für den Geschäftsbereich des Reichsministeriums Speer" (BK Speer), Sitz Hamburg, Hauptgeschäftsstelle Posen (Sitz und Hauptgeschäftsstelle ab 1. Juni 1944 verlegt nach Weimar) zur gemeinsamen Krankenkasse des Reichsministeriums Speer bestimmt (Mitt. für die Gefolgschaftsmitglieder des Reichsministeriums Speer Nr. 23 S. 2, Nr. 26 S. 2). Zu ihr gehörten sämtliche Ministerialabteilungen sowie die nachgeordneten Behörden und Dienststellen des Reichsministeriums, des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen, des Generalinspektors für Wasser und Energie und des Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft.
Der Führererlass vom 2. Sept. 1943 wirkte sich bereits seit Anfang 1944 voll aus; dieser Stand konnte im ersten Halbjahr 1944 im wesentlichen eingehalten werden. Brachte die Übernahme der Luftrüstung seit dem 20. Juni 1944 äußerlich letztmals einen Zuwachs an Aufgaben, die geeignet waren, eine Lücke in der Kriegsproduktion zu schließen, so zeigten der am Tage zuvor vollzogene Führererlass über die Konzentration der Rüstung und Kriegsproduktion (Nachr. Speer S. 429) und Speers sieben Anordnungen dazu vom 20. - 22. Juli 1944 (Nachr. Speer S. 431), vom 11. Aug. 1944 (Nachr. Speer S. 458) und vom 7. Febr. 1945 (Nachr. Speer S. 567), dass der Gipfel in der Entwicklung des Reichsministeriums Speer bereits überschritten war. Die Konzentration schlug jetzt ins Gegenteil um und führte unter der katastrophalen Einwirkung des Rohstoffmangels, des Fehlens an Facharbeitskräften, des verschärften Luftkriegs und der Kette militärischer Niederlagen im Westen, Süden, Südosten und Osten zur Auflösung der organisch zusammenhängenden Kriegsproduktion in einzelne "Schwerpunktfertigungen". Vielleicht glaubte Speer, mit einem System von Aushilfen (z. B. durch großangelegte Räumungsaktionen aus feindbedrohten Grenzgebieten, Betriebsverlagerungen aus luftgefährdeten Gebieten, Auftragsverlagerungen in gesicherte Gebiete außerhalb des Reichs, Steigerung der Heimarbeit, Aufhebung aller Dringlichkeitsregelungen für Fertigungen) sich den neuen eisernen Notwendigkeiten anpassen zu können, doch brachen die deutschen Stellungen in Westeuropa, Italien und auf dem Balken im August 1944 so rasch zusammen, dass es in dieser drohenden Sturmflut bald keinen Halt mehr gab.
Alle Dienststellen waren seit September 1944 nur noch für Spar-, Hilfs- und Sofortmaßnahmen tätig, um die schlimmsten Schäden aller Art zu beheben. Die nächsten Schritte in diesem Auflösungsprozess führten schnell zur Verkleinerung des Ministeriums, vor allem durch Zusammenlegung einiger der wichtigsten Ämter, teils durch weitgehende Personalunion, teils durch völlige Verschmelzung. Das Planungsamt, das seine eigentlichen Aufgaben kaum noch erfüllen konnte, wurde personell mit dem Rohstoffamt zusammengelegt (etwa September 1944). Das Rüstungslieferungsamt wurde am 12. Nov. 1944 (Nachr. Speer S. 501) aufgelöst und seine Aufgaben auf mehrere andere Ämter verteilt, so dass sich deren gerade ein Jahr zuvor geregelte Kompetenzen zu verwischen begannen. Die dabei vom Technischen Amt übernommenen Angelegenheiten waren so beträchtlich, dass es durch Erlass vom 22. Dez. 1944 (Nachr. Speer S. 530) völlig neugeordnet werden musste. Das Rüstungsamt endlich ging durch Erlass vom 15. Nov. 1944 (Nachr. Speer S. 500) mit Wirkung vom 1. Jan. 1945 (Nachr. Speer S. 549) im Zentralamt auf. Diese Zusammenlegung hatte zur Folge, dass das Zentralamt erstmals wirklich zentrale Funktionen innerhalb des gesamten Geschäftsbereichs, die es bisher nicht ausgeübt hatte, zugewiesen bekam. Doch konnte sich diese späte Regelung nicht mehr auswirken. Das allgemeine Durcheinander, das sich auch auf die Mittel- und Unterinstanzen erstreckte und immer weitergehende Neuregelungen erforderlich machte, war im Januar 1945 bereits so groß, dass das formell restlos aufgelöste Rüstungslieferungsamt und das Rüstungsamt immer noch weiterbestanden, zumindest mit Teildienststellen außerhalb Berlins.
Der Zerfallsprozess schritt indessen weiter. Als Speer seit Dezember 1944 Rüstungsbevollmächtigte in feindbedrohten Gebieten einzusetzen begann (zuerst für den Rüstungsbezirk Rhein-Ruhr in Düsseldorf, ferner seit Anfang 1945 für den Rüstungsbezirk Süd-West in Heidelberg, Süd-Ost in Prag, Nord-West in Hamburg usw.), zog er bereits den Schlussstrich unter die Existenz seines Ministeriums (Nachr. Speer S. 563). Es war nämlich beabsichtigt, dass diese Rüstungsbevollmächtigten im äußersten Notfall der Einschließung ihrer Gebiete oder des Verlustes von Berlin völlig auf sich gestellt die Rüstungswirtschaft so lange wie möglich aufrechterhalten sollten. Wirksam wurde dieser Plan nicht mehr. Im Wirbel der letzten militärischen Ereignisse seit Anfang März 1945 zerfiel rasch jeder Zusammenhalt, trotz der erstaunlichen Tatsache, dass einzelne Dienststellen bis in den Mai 1945 zäh ihre Arbeit fortsetzten, und dass sich hie und da neue Arbeitsstäbe bildeten, um dringende Maßnahmen einzuleiten.
Speer selbst gehörte zu denjenigen Reichsministern, die mit ihren engsten Stäben Mitte April 1945 vor der drohenden Einschließung Berlins nach Norddeutschland auswichen und sich zunächst in Plön, dann in Flensburg um den Großadmiral Dönitz sammelten. Nach Hitlers Tod bildete Dönitz als Staatsoberhaupt des Reiches auftragsgemäß eine neue "geschäftsführende Reichsregierung", die vom 5. bis 23. Mai 1945 tätig war. Dönitz ließ dabei die von Hitler festgelegte Ministerliste, in der Speer nicht genannt war, unberücksichtigt und berief nur Männer seines Vertrauens. Zu diesen gehörte Speer, der "mit der Führung der Geschäfte des Reichswirtschafts- und Produktionsministers" beauftragt wurde (Lüdde-Neurath, Regierung Dönitz. Göttingen 1951, S. 90). Diese letzte deutsche Reichsregierung endete mit ihrer Verhaftung durch britische Truppen am 23. Mai 1945 in Flensburg.
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Bestandsgeschichte
Der Bestand R 3 "Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion" wurde aus mehreren Teilen gebildet, die zu unterschiedlichen Zeiten ins Bundesarchiv gelangt sind.
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Nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 übergab Reichsminister Speer das während des Krieges vorsorglich in Nürnberg gebildete "Zweigarchiv" seines gesamten Geschäftsbereiches in unversehrtem Zustand den Alliierten. Nach Auswertung der Unterlagen in Vorbereitung des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof 1945/46 wurden diese wohl zum großen Teil in die USA gebracht. Die in Nürnberg zurückgebliebenen Akten und Sammlungen wurden von Archivrat Dr. Mommsen (damals im Staatsarchiv Nürnberg) 1950 vorläufig im Bayerischen Staatsarchiv Nürnberg sichergestellt und im Juni 1952 über das Stadtarchiv Aachen in das neu errichtete Bundesarchiv verbracht.
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Ein zweiter wesentlicher Teil des Bestandes entstammt einem Schriftgutkomplex, der nach 1945 von den amerikanischen Besatzungsbehörden im Ministerial Collecting Center (MCC) in Hessisch-Lichtenau und Fürstenhagen angelegt wurde. Die dort zusammengetragenen Akten wurden im Auftrag der Amerikaner von deutschen Beamten und Angestellten in sogenannten Working Groups oder Sections neu erschlossen und bearbeitet. Über das Verwaltungsamt für Wirtschaft in Minden und später die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt/M. gelangten die Unterlagen schließlich 1951 stark dezimiert in die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums nach Duisdorf und wurden dann nach einer ersten Sichtung, Vorordnung und Aussonderung nicht archivwürdiger Unterlagen im Juni 1952 an das Bundesarchiv abgegeben.
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Weiteren Zuwachs erfuhr der Bestand 1958 im Rahmen einer Rückgabe deutschen Schriftguts aus Großbritannien. Bei den etwa 1948 in das englische Depot deutscher Akten nach Whaddon Hall verbrachten Unterlagen handelte es sich überwiegend um Schriftgut aus der persönlichen Verwaltungssphäre Albert Speers, die von diesem den Alliierten bei seiner Verhaftung in Flensburg ausgehändigt worden waren. Die Überlieferung wurde dem Bestand als Gruppe "Ministerbüro Speer" zugeordnet. Eine bedeutsame Ergänzung erfuhr diese Gruppe im Jahr 1969 durch die Abgabe von Schriftgut aus dem Besitz des ehemaligen Reichsministers Speer, dabei v. a. eine Abschrift der Chronik der Dienststellen des Amtsbereichs Speer 1941-1944.
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Weitere Teile wurden dem Bestand im Rahmen von Aktenrückgaben aus dem Departmental Records Branch in Alexandria (USA) zwischen 1960 und 1965 und aus dem Imperial War Museum London 1972 und 1974 hinzugefügt. Bei den aus Alexandria zurückgeführten Akten handelte es sich offenbar um die für die Nürnberger Prozesse ausgewerteten und anschließend in die USA verbrachten Unterlagen.
Archivische Bewertung und Bearbeitung
Für den Bestand existieren derzeit 4 Findbücher für Sachakten und 1 Findbuch für die Unterlagen der sogenannten Reichsbetriebskartei, die die einzelnen Ablieferungsteile widerspiegeln. Band 1 des Findbuchs, erstellt 1954, enthält dabei die 1952 aus Nürnberg direkt und die aus Minden ins Bundesarchiv gelangten Akten. Bei der Verzeichnung wurden die Endprovenienzen (Ämter und Dienststellen) innerhalb des Geschäftsbereichs Speer wiederhergestellt und die Überlieferung entsprechend klassifiziert. Der 1966 erstellte und 1969 überarbeitete Band 2 des Findbuchs enthält die Akten des Ministerbüros Speer aus Whaddon Hall, ergänzt durch die von Albert Speer direkt dem Bundesarchiv übergebenen Akten. Band 3 listet die US-Rückgaben von 1959-1965 auf und Band 4 die Abgaben des Imperial War Museum London. Auch in den Bänden 3 und 4 sind die Akten grob nach den Ämtern und Dienststellen des Geschäftsbereichs geordnet.
Bestandsbeschreibung
Neben den als "Ministerbüro Speer" zusammengefassten Unterlagen, v.a. Niederschriften zu Führerbesprechungen, fast alle großen kriegswirtschaftlichen Denkschriften Speers sowie Berichte über seine Reisen in die Frontgebiete von Sept. 1944 - Jan. 1945, Ministerreden und amtlicher Schriftwechsel Speers, geheime und vetrauliche Berichte des Ministeriums über Entwicklung, Produktion und Leistungen der Rüstungsindustrie seit 1940 und Unterlagen der Zentralen Planung und des Jägerstabs, enthält der Bestand Unterlagen v. a. folgender Ämter und Dienststellen des Geschäftsbereichs:
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Amtsgruppe Information, Arbeitsgruppe Ausland
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Zentralstelle Berichtswesen, Amtsgruppe Maschinelles Berichtswesen, v a. die Reichsbetriebskartei, Beschäftigtenmeldungen mit Industrieberichten, Unterlagen zur Reichswarennummerung
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Planungsamt (errichtet 4. Sept. 1943)
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Rohstoffamt (errichtet 29. Okt. 1943), dabei Unterlagen der Amtsgruppe Chemie und der Amtsgruppe
Textilrohstoffe
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Rüstungsamt (errichtet 7. Mai 1942, aufgelöst 15. Nov. 1944)
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Technisches Amt (errichtet im April 1942), dabei Unterlagen der Amtsgruppe Maschinen, Motoren und
Werkzeuge
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Produktionsamt (errichtet 29. Okt. 1943)
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Amt Bau (errichtet 29. Okt. 1943)
Erschliessungszustand
Findbuch (1954, 1970, 1975), Findkartei
Zitierweise
BArch R 3/...